In einem Artikel mit dem Titel „Von einer herrschaftsfreien Welt“ für die Schweizer ExpressZeitung (Auflage 110.000 Exemplare) habe ich eine herrschaftsfreie Privatrechtsordnung beschrieben. Hier können Sie den Artikel online abrufen und hier finden Sie den Artikel als PDF. Ich bin dabei auf die am schwierigsten zu behandelnden Einwände eingegangen.
In einer anderen Artikelserie gehe ich zudem auf die häufigsten Fragen ein. Der erste Teil hat fünf Seiten und wird im Laufe des Juni erscheinen. Zusammen mit dem zweiten Teil werden es etwa zehn Seiten. Eventuell schreibe ich auch noch ein Buch mit 250 Seiten darüber. Es sind aber bereits Hunderte von Seiten über das Thema erschienen.
Trotzdem wird man nie alle denkbaren Fragen beantworten können. Warum? Weil man sich mehr Szenarien ausdenken kann als es Menschen gibt. Das Leben ist nunmal vielfältig. Nehmen wir an, jeder Mensch gerate nur in zehn Problemsituationen. Bei sieben Milliarden Menschen könnte man sich also 70 Milliarden Situationen ausdenken, in die jemand geraten könnte.
Das wäre an sich gar nicht tragisch, wenn jeder in der Lage wäre abstrakt zu denken. Denn der Grundgedanke ist sehr einfach: Wenn ein Monopol – in diesem Fall das Gewaltmonopol – abgeschafft wird, steigt zwingend die Qualität der Leistung. Denn zahllose Unternehmen konkurrieren nun um die beste Lösung für ein Problem. Die beste Lösung setzt sich durch.
Da es dennoch etliche Menschen gibt, die das nicht verstehen, egal wie oft man es ihnen erklärt, habe ich mir Gedanken gemacht woran das liegen könnte. Ich bin auf folgende unvollständige Liste möglicher Gründe gekommen:
Gewöhnung
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Dass viele Menschen die Idee einer staatenlosen Gesellschaft ablehnen, liegt schlicht daran, dass jeder in einem Staat aufwächst. Die Menschen haben also gar keine Erfahrung mit Anarchie. Gleichzeitig ist der Mensch aber auch sehr anpassungsfähig. Er würde sich auch sehr schnell an eine Privatrechtsordnung gewöhnen. Er könnte schon nach kurzer Zeit gar nicht mehr verstehen, wie man die Entscheidung über sein Leben einer Masse ihm unbekannter Personen überlassen kann.
2. Mangelnde Fähigkeit zu abstraktem Denken
Der Gedankengang, dass die Abschaffung eines Monopols zur Qualitätsverbesserung führt, ist abstrakt. Abstraktion bedeutet, dass man ein Problem auf einen allgemeinen Grundsatz zurückführt, der dann auf alle konkreten Einzelfälle anwendbar ist. Ich weiß nicht, wie viele Menschen es gibt, denen diese Fähigkeit abgeht. Aber es verwundert nicht, dass unter Menschen die besonders intelligent sind, die Zustimmung zu libertären Positionen deutlich höher ist als im Bevölkerungsdurchschnitt. Eine Umfrage unter hochintelligenten Mitgliedern der Triple Nine Society ergab hohe Zustimmungsraten zu libertären Positionen. Diese Gesellschaft ist so elitär, dass sie nur die intelligentesten 0,1% der Bevölkerung aufnimmt. Nur 5% des Hochbegabten-Vereins Mensa sind für Triple Nine schlau genug. Andere Untersuchungen unter Intelligenzbestien ergaben ein ähnliches Bild. Hätte man die Befragten vorher über anarchistische Konzepte aufgeklärt, wären die Zustimmungsraten vermutlich noch viel höher.
Nun gibt es unterschiedliche Methoden, Intelligenz zu messen, beispielsweise gibt es emotionale Intelligenz. Hier geht es aber um die Messung analytischer Fähigkeiten, und die Grundvoraussetzung dafür ist nun mal die Fähigkeit zur Abstraktion.
Staatliche Propaganda
Im staatlichen Bildungswesen wird uns natürlich beigebracht, dass der Staat dazu da ist, uns zu beschützen und dass Anarchie Chaos und Gewalt bedeutet. Die so Ausgebildeten werden später als Journalisten oder als Universitätsprofessoren zu Meinungsführern in den Medien.
Mangelndes Selbstbewusstsein
Wenn man jemanden fragt, welche Regulierung des Staates er persönlich braucht um sein Leben zu führen, antworten die meisten: „Ich brauche die Regeln nicht, aber die anderen.“ Aus der Psychologie ist das als klassische „Projektion“ bekannt. Deshalb stellen Psychologen in Studien gerne Fragen wie: „Ist Ihr Nachbar neidisch?“. Damit wollen sie herausfinden, ob der Befragte selbst neidisch ist, weil man negative Eigenschaften ungern zugibt, aber auf andere projiziert. In Wirklichkeit denken also vermutlich viele Menschen tatsächlich, sie selber bräuchten eine Autorität, die Regeln macht und sie beschützt.
Mangelndes Selbstbewusstsein ist es auch, was viele Menschen daran hindert, einmal getroffene Entscheidungen wieder in Frage zu stellen. Selbstbewusste Menschen haben dagegen kein Problem zuzugeben, wenn sie sich geirrt haben. Sie stellen sich auch – anders als viele Staatsjünger – gerne jeder Diskussion. Das Selbstbewusstsein wird einem auch in staatlichen Schulen abtrainiert, wo es meist ums Auswendiglernen geht, anstatt darum, die Fähigkeit zu trainieren, Dinge kritisch zu hinterfragen.
Kognitive Dissonanz
Menschen neigen dazu, nur Informationen zu suchen, die ihr bisheriges Weltbild bestätigen. Diese Eigenschaft spielte in der Evolution eine wichtige Rolle. Würde jeder Mensch bei jeder Entscheidung lange abwägen, wäre der Mensch ausgestorben. Denn während er noch darüber nachdenkt, ob er den Säbelzahntiger mit dem Speer erledigen oder lieber Reißaus nehmen sollte, hätte ihn dieser längst verspeist. Kognitive Dissonanz erleichtert also das Leben.
Hier habe ich mit Robert Stein über die fünf Gründe gesprochen:
So kommt es also, das Staatsjünger fieberhaft nach jeder Information suchen, die scheinbar beweist, dass ein Staat vonnöten sei. Gerne wird hierbei auf Somalia verwiesen, doch Somalia ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, welche Vorteile die Abschaffung eines Staates hat. Das Einkommen pro Kopf hat sich verdreifacht, das ist eine Steigerung von 200%! Die Lebenserwartung und sogar die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben ist gestiegen. Die Mordrate in Detroit ist 30 mal höher als in Somalia.
In Somalia gibt es mittlerweile ein funktionierendes Mobilfunknetz. Wie kann das sein, wo es doch keinen Staat gibt, der Eigentumsrechte schützt? Ganz einfach, die Unternehmen haben einfach die Kosten für den Schutz des Eigentums und das Risiko, dass sie von einem Regime wieder enteignet werden könnten, einfach mit einkalkuliert. Irgendein Unternehmen kam zu dem Schluss, dass sich das Risiko lohnt und schöpfte Pioniergewinne ab. Mittlerweile gibt es vermutlich Konkurrenz durch Nachahmer.
Fakten fechten jemanden, der inbrünstig glaubt, aber nicht an. Stattdessen postet er Dokumentationen darüber, wie schrecklich das Leben in Somalia ist. Und natürlich ist dort nicht das Paradies auf Erden. Aber man könnte auch in ein Problemviertel einer x-beliebigen Stadt in einem Staat gehen und dort eine Dokumentation über Mord und Totschlag drehen.
Eine wichtige Voraussetzung bei wissenschaftlichen Analysen ist die „ceteris paribus“-Betrachtung. Das heißt, wenn ich eine Situation mit einer anderen vergleiche, müssen alle sonstigen Bedingungen gleich sein. Der afrikanische Kontinent ist trotz seines Rohstoffreichtums insgesamt rückständiger – aus den unterschiedlichsten Gründen. Wenn schon, müsste man Somalia mit anderen afrikanischen Staaten vergleichen und da schneidet Somalia beispielsweise bei der Mordrate von 1,5 pro Hunderttausend Menschen sehr gut ab. In Kenia sind es 20, in Tansania 24, in Uganda 38 und in Detroit 48 Morde. Wir erinnern uns: Der Schutz des Lebens ist die Kernaufgabe jeden Staates!
Noch wichtiger aber sind die Ausgangsbedingungen. Somalia hat eine jahrzehntelange Schreckensherrschaft hinter sich. Würde man in Europa eine Privatrechtsgesellschaft errichten, wären die Startbedingungen ganz andere. Die Marktwirtschaft, die gerade schrittweise abgeschafft wird, hat hier jahrhundertelange Aufbauarbeit geleistet. Der mit Schaum vor dem Mund herausgebrüllte Ruf, „Dann geh’ doch nach Somalia!“ ist also fehl am Platze. Abgesehen davon kann es durchaus sein, dass das Leben dort bald besser sein wird als in Europa. Dann nämlich, wenn in den korporatistischen Staaten Europas aufgrund des Zusammenbruchs des staatlich installierten Finanzsystems das Chaos ausbricht. Aber natürlich wäre es auch dann rational, sich einen Platz zu suchen, an dem die Verhältnisse zum gegebenen Zeitpunkt am besten sind, selbst wenn es ein Staat ist. Es wird auf jeden Fall ein Platz sein in dem Marktwirtschaft so weit wie möglich zugelassen wird, und sicher nicht Nordkorea.
Was schließen wir aus all dem? Die oben beschriebenen Phänomene existieren nun einmal. Es bleibt nur das Mittel der Aufklärung. Aus Punkt 2 folgt beispielsweise, dass Libertäre lernen müssen, emotional zu argumentieren und praktische Beispiele zu verwenden. Man kann auf das Gebot der Nächstenliebe – die goldene Regel – als Grundpfeiler des Libertarismus verweisen. Man kann konkrete Beispiele dafür liefern, wo etwas ganz ohne Staat funktioniert. Beispielsweise weitgehend bei der Entscheidung, was man einkauft, welche Freunde man sich zulegt oder was man in seiner Freizeit macht. Funktioniert alles bestens, obwohl es dafür keine zentrale Planungsstelle gibt.
Und schließlich kann man etwas tun, was in der libertären Szene verpönt ist, nämlich konkrete Regierungslügen offenlegen. Ich bin mehr oder weniger der einzige Libertäre in Deutschland der das tut und ich muss dafür viel Kritik und Spott ertragen. Aber Regierungslügen aufzudecken, hilft auch dabei den quasi-religiösen Glauben an den fürsorglichen Staat zu erschüttern.
Denn wenn Sie einmal darüber nachdenken, sind nahezu alle bedeutenden Medienlügen Regierungslügen. Egal, ob Sie an die offizielle Theorie zum 11. September glauben oder nicht: Was meinen Sie würde die meisten Leute überzeugen? Ganz einfach, wenn Angela Merkel eine Pressekonferenz geben und sagen würde: „9/11 war ein Inside-Job“. Es ist ja nicht so, dass es gar keine kritischen Dokumentationen im Mainstream gegeben hätte. Es gab meine Focus-Money Artikel und der Film 9/11 Mysteries lief mehrfach auf VOX sowie im österreichischen Staatsfernsehen. Aber es ist eben nicht „offiziell“, weil es keine Aussage einer Regierungsbehörde dazu gibt.
Damit vertrauen die Menschen ausgerechnet jener Institution, deren Hauptgeschäft, wie wir Libertäre wissen, das Lügen ist. Sei es der 11. September, der menschengemachte Klimawandel, der Untergang der Lusitania, Pearl Harbor, der Tonkin-Zwischenfall, die Einzeltäter-These bei der Ermordung von John F. Kennedy, Afghanistan, Irak, Syrien, Lybien, Krim-Krise, NSA-Skandal, alleine die Liste der bereits aufgeflogenen Regierungslügen ist schier endlos. Das Schöne an diesen Lügen ist, dass sie von Vertretern aller Parteien verbreitet werden. Republikaner, Demokraten, Rechte, Linke, Liberale, alle lügen. Da ist es nur ein ganz kleiner Schritt für einen Menschen zu begreifen, dass alle Regierungen lügen. Regierungen müssen lügen, weil sie ja den Menschen Glauben machen, ohne eine Regierung würde das Chaos ausbrechen.
Oh, oh, ich höre sie schon, die Kritiker, die sich sagen: „Meine Güte, jetzt hat der Janich endlich mal einen halbwegs vernünftigen Artikel über Anarchie zustande gebracht und jetzt kommt er noch mit der ollen 9/11-Kamelle ums Eck.“ Habe ich Sie ertappt? Wissen Sie was? Ich verrate Ihnen ein Geheimnis. Kommen Sie ganz nah an den Bildschirm, dann muss ich nicht so laut schreien:
Ihre Bedenken sind mir scheißegal!
Irgendjemand muss den Leuten die Wahrheit sagen und es ist besser, wenn das ein Libertärer tut. Sonst haben auch hier die Sozialisten die Deutungshoheit. Aus irgendeinem Grund treffen bei mir die fünf oben genannten Gründe nicht zu. Entweder weil ich so intelligent, so selbstbewusst oder beides bin. Vielleicht habe ich auch einfach nur Glück gehabt. Aber die gute Nachricht ist: Man muss kein Einstein sein, um das alles zu begreifen. Diese Fähigkeit zur kritischen Analyse und das nötige Selbstbewusstsein kann man sich erarbeiten. Sie müssen nur wollen.
Ich verrate Ihnen noch ein Geheimnis: Ich habe ja das große Glück, fast alle führenden deutschsprachigen Libertären (Hier ihre Beurteilung meiner Bücher) persönlich kennengelernt zu haben. Den meisten von ihnen entlockt die offizielle Verschwörungstheorie zum 11. September nur ein müdes Lächeln, wenn Sie unter vier Augen darauf angesprochen werden. Sie verdrehen die Augen bei dem Gedanken, wie man nur so selten dämlich sein kann, diese Regierungs-Story zu kaufen. Das hat einen simplen Grund. Natürlich gibt es auch Menschen, die aus emotionalen Gründen libertär sind, schlicht, weil sie sich nichts vorschreiben lassen wollen. Das sind sozusagen emotionale Libertäre. Aber die führenden Publizisten sind natürlich nicht nur aus emotionalen Gründen libertär. Sie sind eben auch kühle Analytiker. Sie sagen nur nicht so laut, welche konkreten Regierungslügen sie nicht glauben, weil sie wissen, dass es ihrem Ruf abträglich sein könnte und weil sie es für unnötig halten. Dann muss ich das eben machen.
Es ist ja durchaus richtig, dass es nicht bei jedem nötig ist Regierungslügen aufzudecken um jemanden vom Libertarismus zu überzeugen. Das sind diejenigen, die abstrakt denken können. Aber bei vielen eher praktisch denkenden Menschen kann es eben helfen. Der 11. September ist einfach ein Intelligenz-Schnelltest. Wenn Sie jemandem die Bilder von World Trade Center 7 zeigen und er glaubt weiterhin die offizielle Version, können Sie sich eine abstrakte Erörterung der Anarchie sparen. Er wird Sie nicht verstehen. Genauso gut könnten Sie sich mit einer Amöbe über Quantenphysik unterhalten.
Ich denke daher ernsthaft darüber nach, ob ich politische Diskussionen in Zukunft mit der Frage beginne, ob mein Gesprächspartner an die offizielle Version zum 11. September glaubt. Erhalte ich – nach entsprechender Aufklärung – die Antwort „ja“, verzichte ich auf einen politischen Diskurs und sage: „Komm, lass uns einen trinken gehen.“ Wenn die Person weiblich und hinreichend attraktiv ist, sage ich: „Komm, lass uns ein paar neue Stellungen im Bett ausprobieren.“
P.S.: Ich habe noch weitere Thesen entdeckt, warum die Menschen einen starken Staat wollen. Der Psychologe Heiko Cochius stellt die These auf, dass Staatsgläubigkeit das Ergebnis eines mehr oder weniger bei fast jedem Menschen auftretenden Kindheitstraumas ist. Als Kind macht man die Erfahrung, dass die Eltern nicht nur Beschützer, sondern auch Bestrafer sind. Als Erwachsener wünscht man sich deshalb einen idealisierten Beschützer, weil man nicht selbstbewusst genug ist, an seine eigene Stärke zu glauben. Die These vom Kindheitstrauma ist, wie vieles in der Psychologie, umstritten, aber der Vortrag von Cochius ist jedenfalls hochinteressant. Möglicherweise erkennen Sie darin Dinge, die ihr eigenes Leben betreffen.
Eine ähnliche These stellt der Psychologe Dr. Lyle Rossiter in seinem Buch “The Liberal Mind” auf. Er behauptet, dass sogenannte “Gutmenschen” praktisch klinisch geisteskrank wären, weil sie sich weigern, Erwachsen zu werden und sich stattdessen vom Staat einladen lassen, eine zweite Kindheit zu beginnen. Das ist sicherlich sehr plaktiv ausgedrückt. Aber insofern der Staat dann die Rolle der idealisierten Eltern übernimmt, ist diese These durchaus mit der von Cochius vereinbar. Das die These vom fürsorglichen Staat logisch nicht haltbar ist, ist es durchaus sinnvoll mit den möglichen psychologischen Ursachen der Staatsgläubigkeit zu beschäftigen.
Hier der Vortrag von Cochius: