Georg Orwells kleiner Bruder: Wer Trump half, die Wahlen zu gewinnen

In einem ausgezeichneten Artikel wurde erklärt, wie Donald Trump mit Hilfe des Internets die Wahlen gewonnen hat. Aber das eigentliche Geheimnis bleibt den Lesern verborgen. Zunächst einige Ausschnitte aus dem Artikel und dann meine Analyse:

Big Data bedeutet auch, dass alles, was wir treiben, ob im Netz oder außerhalb, digitale Spuren hinterlässt. Jeder Einkauf mit der Karte, jede Google-Anfrage, jede Bewegung mit dem Handy in der Tasche, jeder Like wird gespeichert. Besonders jeder Like. Lange war nicht ganz klar, wozu diese Daten gut sein sollen – außer dass in unserem Facebook-Feed Blutdrucksenker beworben werden, weil wir grad «Blutdruck senken» gegoogelt haben. Unklar war auch, ob Big Data eine große Gefahr oder ein großer Gewinn für die Menschheit ist. Seit dem 9. November kennen wir die Antwort. Denn hinter Trumps Onlinewahlkampf und auch hinter der Brexit-Kampagne steckt ein und dieselbe Big-Data-Firma: Cambridge Analytica mit ihrem CEO Alexander Nix…

In der modernen Psychologie ist dafür die sogenannte Ocean-Methode zum Standard geworden. Zwei Psychologen war in den 1980ern der Nachweis gelungen, dass jeder Charakterzug eines Menschen sich anhand von fünf Persönlichkeitsdimensionen messen lässt, den Big Five: Offenheit (Wie aufgeschlossen sind Sie gegenüber Neuem?), Gewissenhaftigkeit (Wie perfektionistisch sind Sie?), Extraversion (Wie gesellig sind Sie?), Verträglichkeit (Wie rücksichtsvoll und kooperativ sind Sie?) und Neurotizismus (Sind Sie leicht verletzlich?). Anhand dieser Dimensionen kann man relativ genau sagen, mit was für einem Menschen wir es zu tun haben, also welche Bedürfnisse und Ängste er hat, und aber auch, wie er sich tendenziell verhalten wird...

Kosinski und sein Team verfeinern die Modelle unablässig. 2012 erbringt Kosinski den Nachweis, dass man aus durchschnittlich 68 Facebook-Likes eines Users vorhersagen kann, welche Hautfarbe er hat (95-prozentige Treffsicherheit), ob er homosexuell ist (88-prozentige Wahrscheinlichkeit), ob Demokrat oder Republikaner (85 Prozent). Aber es geht noch weiter: Intelligenz, Religionszugehörigkeit, Alkohol-, Zigaretten- und Drogenkonsum lassen sich berechnen. Sogar, ob die Eltern einer Person bis zu deren 21. Lebensjahr zusammengeblieben sind oder nicht, lässt sich anhand der Daten ablesen. Wie gut ein Modell ist, zeigt sich daran, wie gut es vorhersagen kann, wie eine Testperson bestimmte Fragen beantworten wird. Kosinski geht wie im Rausch immer weiter: Bald kann sein Modell anhand von zehn Facebooks-Likes eine Person besser einschätzen als ein durchschnittlicher Arbeitskollege. 70 Likes reichen, um die Menschenkenntnis eines Freundes zu überbieten, 150 um die der Eltern, mit 300 Likes kann die Maschine das Verhalten einer Person eindeutiger vorhersagen als deren Partner. Und mit noch mehr Likes lässt sich sogar übertreffen, was Menschen von sich selber zu wissen glauben...

Aber es geht nicht nur um die Likes auf Facebook: Kosinski und sein Team können inzwischen Menschen allein anhand des Porträtfotos den Ocean-Kriterien zuordnen. Oder anhand der Anzahl unserer Social-Media-Kontakte (ein guter Indikator für Extraversion). Aber wir verraten auch etwas über uns, wenn wir offline sind. Der Bewegungssensor zeigt zum Beispiel, wie schnell wir das Telefon bewegen oder wie weit wir reisen (korreliert mit emotionaler Instabilität). Das Smartphone, stellt Kosinski fest, ist ein gewaltiger psychologischer Fragebogen, den wir konstant bewusst und unbewusst ausfüllen...

Und Cambridge Analytica macht genau das, wovor Kosinski gewarnt hatte: «Wir haben Psychogramme von allen erwachsenen US-Bürgern – 220 Millionen Menschen», Nix öffnet den Screenshot, «so sehen unsere Kontrollzentren aus…

In einer anderen Präsentation zeigt Nix am Beispiel des Waffengesetzes zwei Versionen, wie man psychografisch durchleuchtete Wähler ansprechen kann: «Für einen ängstlichen Menschen mit hohen Neurotizismus-Werten verkaufen wir die Waffe als Versicherung. Sehen Sie links das Bild dazu: die Hand eines Einbrechers, die eine Scheibe einschlägt.» Die rechte Seite zeigt einen Mann und ein Kind im Sonnenuntergang, beide mit Flinten in einem Feld, offensichtlich bei der Entenjagd: «Das ist für konservative Typen mit hoher Extraversion.»…

Soweit die Auszüge. Der gesamte Artikel von “Das Magazin” ist äußerst lesenswert und unten verlinkt. Meine Analyse:

Psychometrik ist das, was vermutlich noch Georg Orwell feuchte Träume beschert hätte. Jeder Mensch ist gläsern. Was aber die Autoren nicht aufzeigen, ist folgendes: Psychometrik ist nur und ausschließlich in einem Staat gefährlich, denn dort wird Macht verteilt. Wie gezeigt, hat die Methode Trump und sogar den Brexit-Befürwortern geholfen. Vermutlich deshalb schreiben die Autoren überhaupt darüber. Das nächste Mal kann es aber auch der anderen Seite helfen. Die Gewinner bekommen dabei Macht über die Menschen. In einer Privatrechtsordnung könnten die Unternehmen nur zielgerichtete Werbung verschicken, was ja Vorteile für den Kunden hat. Aber niemals bekämen sie echte Macht über die Menschen, weil niemand dazu gezwungen werden kann, das Produkt zu kaufen. Jede Technologie kann zum Guten wie zum Schlechten eingesetzt werden. In einer Privatrechtsordnung gibt es das ultimative Böse aber nicht: Den Staat, das kälteste aller Ungeheuer.

Zum Schluss des Artikels liefert “Das Magazin” noch einen Knaller. Im Vorstand von Cambridge Analytics sitzt Steve Bannon. Der ist nicht nur der Chef von Breitbart News, sondern auch Trumps neuer Chefstratege.

Es gibt keine Zufälle.

 

Quelle: Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt – Das Magazin – Das Magazin

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